KRANKHEITS-GESCHICHTE

von Petra Vujovic

Wenn sich die Superfrau über ihre Gesundheit beklagt, bedeutet das in der Regel, dass es ernst ist, obwohl sie hier und da auch wegen einer leichteren Form akuter Migräne, weniger chronischer Nasennebenhöhlenentzündungen oder praktisch harmloser Gastritisanfälle aufstöhnen kann – die sich meist sehr „passend“ mit dem Beginn des Schuljahres, den Winterferien oder dem Frühlingsanfang decken. Aber keine Migräne, keine Sinusitis oder Gastritis, die langfristig betrachtet ihren angeborenen Optimismus und ihren unerschütterlichen Geist erschüttern könnten! E, mashala!


(Im Frühling und Frühherbst, wenn in der Natur alles wächst und gedeiht, liegt die Superfrau gekrümmt vor Schmerz im Bett, verflucht still ihr schlimmes Schicksal und auch noch ihre Gene. Aber niemandem ein Wort davon. Psst!)

Es ist außerdem wichtig zu erwähnen, dass die Superfrau – aufgrund ihrer stark ausgeprägten Individualität, ihres spartanischen Geistes und ihres stählernen Willens – dem Typus der Kriegerin-Frau wie einer Amazone entspricht, die unter anderem auch eine ausgesprochen hohe Schmerzgrenze besitzt. Aber gut, der Feminismus lehrt uns mit Empörung, traditionelle Rollenbilder und gesellschaftlich wohlmeinend auferlegte Verhaltensmuster abzulehnen, was uns glauben machen könnte, es sei geradezu wünschenswert, eine „Amazone“ zu sein. Doch lasst euch nicht täuschen. Individualität, Entschlossenheit und Kampfgeist verkomplizieren das Leben einer Frau nur unnötig, und ein unlängst im Park in der Nähe geschehener Vorfall ist ein hervorragendes Beispiel für einen solchen Irrtum. Nämlich: Die Umstände, die zu diesem unglücklichen Ereignis führten, sind noch nicht vollständig geklärt, ebenso wenig wie die Schlüsselfrage, was genau eine zufriedene und durchaus erfüllte 35-jährige Frau dazu brachte, impulsiv gebrauchte Rollschuhe zu kaufen (und das für unglaubliche 9,99 Euro!, Anm. d. Red.), mit denen sie wenig später mutig und beinahe jungfräulich kühn das nun berühmte „Salto mortale“ durchführte – womit sie erneut ihren Kultstatus als unsterbliche Göttin bestätigte.

Solange die Geschichte von den Siegern geschrieben wird, hat die Superfrau keinen Grund zur Sorge.

Und hier ungefähr, was passierte. An einem schönen Tag beschließe ich, mich mutig die Böschung unseres Parks auf meinen Rollschuhen hinunterzustürzen. Während ich so unbeschwert dahinrolle – auf meinen Rollschuhen, die zwar neu, aber dennoch gebraucht waren –, beginne ich mich plötzlich brennend für Physik zu interessieren. Ich erinnere mich an den Physikunterricht, an das Thema Körperbeschleunigung. Der Buchstabe a. Meter pro Sekunde zum Quadrat. Faszinierend.
Aber was ist mit Verlangsamung? Hm…

Und dann beginnen sich die Dinge zu verkomplizieren. Zur Gleichung des Grauens gesellen sich bald weitere aufregende Begriffe: Masse, Neigung, ein Winkel von 90 Grad. Die Böschung war nämlich doch etwas steiler, und der Weg, auf dem ich mich inzwischen schon irrwitzig schnell bewegte, war deutlich schmaler. Die Kurve, so wie es aussah, führte – nirgendwohin. Sie bog einfach ab. Das Schlimmste war die Erkenntnis: Ich hatte vergessen zu lernen, wie man bremst. Zum Teufel!

Entsetzt über das Tempo, mit dem ich unterwegs war, und gleichzeitig auf seltsam nervöse Weise erheitert von der Aussichtslosigkeit der Lage, entschied ich mich für einen leicht riskanten, aber durchdacht wirkenden Zug: Ich werde mich mit Grazie ins Gras werfen. Die besten Entscheidungen werden letztendlich intuitiv und ohne viel Nachdenken getroffen. Fein, der Moment scheint perfekt zu sein, um meine Weisheit zu testen, denn vor mir war bereits ziemlich deutlich eine massive Betonwand zu sehen. Eins, zwei, drei, spring jetzt! Ich schließe meine Augen und werfe mich ins Gras – weiches, grünes, duftendes Gras. Der Sprung, das langsame Abrollen, führe ich etwas ungeschickt aus, und stattdessen lande ich auf dem Beton; hartem, grauem, vor allem aber sehr hartem Beton.

In der Theorie war mein höllischer Plan vielleicht gar nicht so schlecht, aber die Praxis ist manchmal gnadenlos gegenüber Menschen mit weitem Horizont, aber begrenzten Fähigkeiten, und so endete die ganze Aktion – leider – mit einem einzigen großen, unangenehmen Wumms.

Und hier folgt eine Programmunterbrechung.

– Gnädige Frau, gnädige Frau! Geht es Ihnen gut?
– „Gnädig ist vielleicht deine Mutter. Natürlich geht’s mir gut. Warum auch nicht?“

Schmerz! Furchtbarer, unerträglicher Schmerz. Aber halb so wild, denke ich mir. Ich stoße mich ja ständig irgendwie – mal an einen Tisch, mal an eine Tür, mal an eine Wand, mal an einen Stuhl, stolpere über einen Pantoffel, und so weiter. Hauptsache, nichts ist gebrochen, denke ich mir.

Ich schaue – und dann bleibt mein Blick an meiner rechten Hand hängen. Hm. Das Handgelenk sieht ein wenig aus wie ein Kunstwerk eines renommierten abstrakten Künstlers, und die Hand statt aus einem bereits aus drei Teilen besteht: zuerst die Faust, dann ein kleines Nichts, also ein leerer Raum unter der Haut an der Stelle, wo – da bin ich mir sicher – ein Gelenk sein sollte, und dann der Rest des Arms bis zur Schulter. Zum Glück hatte ich kürzlich erfolgreich einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert, also stelle ich schon im nächsten Moment schnell und treffsicher meine Diagnose: verstauchtes Gelenk. Klingt nach einem hervorragenden Kompromiss – eine Diagnose, die ernst genug ist, um die Situation vollständig zu rechtfertigen, aber nicht zu dramatisch und ohne langfristige Komplikationen. Also, super.

Etwa 45 Minuten später tauchen sogar zwei Krankenwagen auf, woraufhin ich sofort denke: Das kann kein gutes Zeichen sein. Doch da ich ein leeres Hirn habe, verscheuche ich diese negativen Gedanken rasch und kehre zurück in das warme, sichere Nest meines logisch und gesund denkenden Verstandes: Wenn wirklich etwas Schlimmes los wäre, wären sie doch mit dem Hubschrauber gekommen, oder?

Bald schon nähern sich die Sanitäter und sprechen etwas in ihre Walkie-Talkies, ich bin etwas überrumpelt. Ich verstehe überhaupt nicht, warum sie ständig das Krankenhaus erwähnen, schließlich kann man das Ganze doch bestimmt mit einem Verband und ein paar Heilkräutern lösen, und zu Hause habe ich noch genug Rakija – es gibt also wirklich keinen Grund… Wirklich. Leute, ich danke euch, dass ihr gekommen seid, ich schätze das, aber wie ihr seht – für euch gibt’s hier nichts mehr zu tun. So, und jetzt langsam alle nach Hause, bitte. AAAAA! Schon leicht bläulich im Gesicht vor Schmerz und unterdrückten Schreien, die ich mit einem charmanten Dauerlächeln im Joker-Stil überspiele, winke ich noch ein letztes Mal freundlich, bevor ich endlich auf die Trage gepackt und in den Krankenwagen geschoben werde, gezwungen aufzugeben, weil ich keinen Widerstand mehr leisten kann – ein aktiver Protest ist’s ohnehin nicht mehr. Kein Wunder, dass das System kollabiert, wenn für jeden kleinen Mist ein Krankenhaus herhalten muss, denke ich, mit einem resignierten Seufzen tief in meinem Innersten.

Der Rest des dramatischen Nachmittags verschwindet in einem nebligen Strudel, durchsetzt von modernsten medizinischen Geräten zur Folter, Verhör und Behandlung – natürlich alles auf der Notfallstation einer Großstadtklinik. Ich kehre Stunden später nach Hause zurück – eingegipst bis zur Schulter, mit einer Tüte voller Schmerzmittel in der Hand. Die gute Nachricht: Ich hatte recht, was das Gelenk anging. Es war nicht gebrochen. Es war… zermahlen.

Wie aus dem beigelegten Material ersichtlich: Obwohl eine Kriegerin der Archetyp einer unerschütterlichen griechischen Göttin ist – ist sie dennoch dazu bestimmt, zu stürzen, sich zu beugen, zu zerbrechen, und Schmerz zu ertragen. Starken, langanhaltenden Schmerz.

Die unkontrollierte Fahrt mit den Rollschuhen durch den Park hatte ihr all das gebracht – und noch viel mehr. Mit dem Krankenwagen raste sie durch die Stadt, begleitet vom schrillen Fanfarengeheul. Später, im Krankenhaus angekommen, verbrachte sie den Rest des Nachmittags damit, die verborgenen Reize der Notaufnahme zu entdecken, während sie verschiedenste Behandlungsmethoden testete, die ihr Tränen in die Augen trieben.

[War es das wert, Kriegerin-Unglücksrabe?]


Falsch gestellte Fragen führen selten zu echten Antworten, denn sie war keine Frau, die sich nach einem friedlichen Leben sehnt, das sich ums Haushalten, um Freizeit-Häkeln von Spitzendeckchen, meditatives Stricken von Wollschals oder samstägliches Marathon-Bügeln dreht – all das, was Frauen seit Urzeiten mit dem Duft von Reinlichkeit und Sicherheit in der häuslichen Wärme verbinden.

Nein, die Superfrau ist ungezähmt und ganz ihr eigenes Wesen. Ihren Frieden findet sie noch immer in den endlosen, verborgenen Weiten ihrer Fantasie – jenseits von Logik, jenseits der Vernunft, in einem Raum, der keinem gehört und keinem gehorcht. Ein Ort, an dem möglich und unmöglich, erlaubt und verboten keine Gegensätze sind, sondern nur flüchtige Kategorien. Sie gehört der Wildnis.

Dementsprechend – ob in der Wildnis oder im Zentrum einer Großstadt – lebt die Superfrau-Kriegerin nach ihren eigenen Regeln. Sie gehorcht niemandem, nur sich selbst – doch manchmal versteht sie nicht einmal ihre eigenen Regeln ganz.
Aber nun ja, es ist eben, wie es ist.

Wie dem auch sei, den Gips trug ich noch volle zwei Monate. Wir hatten uns allmählich aneinander gewöhnt, mein Gips und ich, fast schon eine merkwürdig intime Beziehung aufgebaut. Mal kühl und distanziert, mal heiß und voller Überraschungen – wie ein seltsamer Flirt, überlagert von einem Hauch Stockholm-Syndrom. Ich wechselte oft die Stimmung und sende ihm wohl widersprüchliche Signale. Manchmal fühlte ich mich eingeengt, bedrängt, als würde er mir die Luft abschnüren – ich wurde wütend, wehrte mich, doch schon im nächsten Moment erkannte ich, dass ich ihn noch brauche. Ich nutzte ihn. Manchmal als Krücke, manchmal als Kleideraufhänger, so dass ich ihm am Ende doch alles verzeihe.

Und dann – schließlich – gewöhnte ich mich an meinen schönen, schweren Gips. An einem gewissen Maitag nahmen ihn mir die Krankenhausquäler kommentarlos aber ab, und schickten mich nach Hause. Einfach so. Als sei nichts gewesen.

Später ging ich beiläufig zur Therapie. Versuchte, mein Gelenk wieder in Bewegung zu bringen, doch die Übungen und schmerzvollen Sessions erfüllten mich nicht. Ich gab auf. Es musste einen besseren Weg geben – einen kunstvolleren. Und nun, wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, sage ich nur noch: “frida-kahlomäßig” – denn wie denn sonst?

Leave a Comment