von Petra Vujovic

Sicherheit macht dem schlechten Mädchen Angst. Die Stimmen hat sie längst in eine tiefe, trübe Pfütze versenkt, und genau deshalb schmerzt ihr Kopf weniger als der des guten Mädchens, das sich ständig mit ihnen herumschlägt.
Das schlechte Mädchen hört nur auf ihre eigene Intuition – denn nur mit ihr ist sie geboren. Alles andere ist ein billiges Plagiat verschiedener Wahrheiten, von denen keine einzige wirklich ihre eigene ist.
Sie will nicht das, was sie sollte – sie will das, was sie will. Das schlechte Mädchen weiß immer genau, was sie will. Sie verbringt ihre Zeit nicht damit, sich ständig für sündhafte Gedanken, die richtigen Worte zur falschen Zeit, unheroische Taten, zufällige Versäumnisse und gewöhnliche, kleine menschliche Bedürfnisse zu entschuldigen.
Sie schätzt die Wahrheit mehr als gesellschaftlich erwünschtes Verhalten, abgedroschene Klischees oder glanzvolle Illusionen.
Das schlechte Mädchen nennt die Dinge beim Namen – und genau das ist es, was ihr oft Ärger einbringt. Sie liebt Ärger.
Das schlechte Mädchen kann nur dann glücklich sein, wenn sie sich nicht verstellt. Sobald sie sich verbiegen muss, fühlt sie sich körperlich unwohl. Sie glaubt daran, dass die Wahrheit etwas Göttliches innehat.
Das schlechte Mädchen hat eine scharfe Zunge. Aber sie hat auch ein Herz. Sie kann Schmerz ertragen – wenn er für etwas Wahres steht. Doch sie glaubt nicht jedem. Sie weiß immer genau, mit wem sie es zu tun hat, und sie scheut keine Konfrontation. Vor ihr zittert die Angst. Sie bleibt niemandem etwas schuldig. Sie verzeiht, aber sie vergisst nicht. Außer wenn sie vergisst, dass sie vergessen hat. Gesegnet sei das Vergessen.
Sie lebt nicht in der Vergangenheit. Sie baut aktiv an ihrer Zukunft, Stein für Stein, Ziegel für Ziegel. Das schlechte Mädchen braucht keine Ausreden und Entschuldigungen, sie ist selbst verantwortlich für ihr Leben und ihr ultimatives Glück. Sie ist charmant, aber gefällt nicht jedem. Das schlechte Mädchen ist attraktiv, was man über ihren Charakter jedoch nicht unbedingt sagen kann.
Die Superfrau steht an der Ampel. Es beginnt zu regnen, und natürlich hat sie keinen Schirm dabei. Zum Glück hat sie heute nicht die Haare geföhnt, sonst wäre das eine Katastrophe.
Während sie dort steht und auf Grün wartet, sieht sie einen Schwarm gefiederter Gedanken, die auf der Suche nach freien Nestern über einsame Dächer gleiten – ob sie darin wohl weise Erkenntnisse ausbrüten?
Sie versucht herauszufinden, ob sie ein gutes oder ein schlechtes Mädchen ist. Während ihr Verstand darüber nachgrübelt, springen kleine Wasserlachen über ihren Weg, und aus einem vorbeifahrenden Auto dringt ein Lied von der berühmten Band Novi Fosili: “…und all die Schlechten, meine Freundinnen, sind nicht wirklich schlecht, oh nein – sie sind alle gute Mädchen.“ Die schlechten Mädchen sind also eigentlich die wahren guten Mädchen. Das ist die Antwort auf die Frage, mit der die Superfrau hätte leben können – und wenn sie genauer darüber nachdenkt, passt sie perfekt ins Gesamtbild. Denn die Superfrau ist weder ein gutes noch ein schlechtes Mädchen. Sie ist vollkommen sie selbst. Und genau so ist sie am besten.