von Petra Vujović
Zeit für einen Perspektivenwechsel. Was man nicht ändern kann, muss man akzeptieren. Deshalb schlägt sie ein neues Kapitel auf, orientiert vor allem an sich selbst und dem inneren Frieden. Schauen wir mal! Von nun an wird sie sich in Fällen allgemeinen Wahnsinns von allem distanzieren, was sie bedrückt und belastet. Sie wird total im Zen sein, und es wird einfach bombastisch!
Genauer gesagt “wäre es bombastisch!”, denn trotz solch lichter Momente erscheint ihr das Leben noch allzu oft wie eine wilde Fahrt im klapprigen Aufzug rauf und runter durch alle neun Kreise der Hölle, an deren Eingang statt des zweiköpfigen Zerberus ausgerechnet ihre beiden Kinder stehen. Sie liebt sie unbeschreiblich, aber manchmal sind sie wirklich unmöglich, denkt die Superfrau. Dem Sohn predige ich ständig, dass es nicht gut ist, so lange am Handy zu “hängen”, weil er sich die Wirbelsäule verbiegt und bald ernsthafte Rückenprobleme haben wird. Aber wie soll man in der Welt der Homo Invertebrata oder Menschen ohne Rückgrat dem eigenen Kind helfen, ein starkes und aufrechtes Rückgrat aufzubauen? Wie überhaupt von der Notwendigkeit eines Rückgrats überzeugen? Besonders heute, wo jeder eine Meinung hat, aber ein Rückgrat (k)einer?
Neben den bereits erwähnten orthopädischen Erziehungsproblemen plagt die Superfrau in letzter Zeit auch die ewige chiropraktische Frage der Disziplin. “Disciplina Kičme!” – wie die legendäre jugoslawische Band, nur dass es hier nicht um Punk-Rock geht, sondern um ihre eigene rebellische Brut! Sie ist es leid, ständig E-Mails aus der Schule zu erhalten, die sie über das schlechte Benehmen ihres Sohnes informieren. Allerdings – Hand aufs Herz – haben seine disziplinarischen Eskapaden auch ihre positiven Seiten. Nämlich hat der geschätzte Herr Sohn wegen solcher Nachrichten tageweise Internetverbot, wodurch er wenigstens vorübergehend wieder der Alte wird – ein gewöhnlicher Lausbub mit dem Radl oder dem Ball in der Hand. Deswegen freut sich die Superfrau insgeheim über jede schlechte Nachricht aus der Schule. Letztendlich ist es besser, wenn er die Lehrer in der Schule nervt als sie zu Hause! Ein bisschen analoger Trubel zu Hause ist genauso wichtig wie gute Noten!
Aber auf die schlechten Nachrichten aus der Schule musste sie diesmal nicht lange warten. Hier hilft kein Zen, aber vielleicht ist positive Resignation die richtige Lösung! Der Moment, wenn man alles loslässt, damit es jemand anderer übernimmt! Lange genug ist sie mit dem Staffelstab in der Hand gelaufen, Zeit, ihn weiterzugeben.
Während die Zeit unmerklich verstreicht, duftet die Stadt immer mehr nach Kastanien und feuchtem Laub. Die aktuelle Realität ist immer noch auf Entzug, und manche andere reifen langsam zu völlig neuen Realitäten heran… Vielleicht gerade deshalb “erschlägt” die Superfrau ihre Freizeit, indem sie einen Kaffee nach dem anderen trinkt und dabei lange mit geschlossenen Augen in die Sonne blinzelt. Nach der Arbeit streift sie stundenlang ziellos durch verlassene und verstummte Parks, gibt sich den Zaubern der positiven Resignation hin.
Arbeit stapelt sich bis zur Decke, aber das muss jetzt warten. Schluss mit dem ewigen “Müssen” und “Sollen”, keine übertriebenen Absprachen mehr, keine ungeschriebenen Regeln. Die Welt wird nicht untergehen, wenn sie mal langsamer macht – dessen ist sie sich mittlerweile sicher. Sie schlendert am Flussufer entlang und beobachtet das wilde Gewässer. Mit lungenvoller unausgesprochener Sehnsucht nach tiefem Durchatmen nimmt sie den städtischen Trubel wahr, lauscht den Geräuschen, saugt die Düfte und Farben des milden Herbstes ein. Wenn sie des Spazierens müde wird, vertieft sie sich in ein Buch, während ihr Mann werkelt und die Kinder sich bilden.
Die bewusste Gelassenheit erwies sich rasch als äußerst fruchtbar – ihr bohèmehaftes Verhalten führte zu regelrechten tektonischen Verschiebungen in der Familienroutine. Diese unverhoffte Wandlung, ausgelöst durch nichts anderes als konsequentes Fernbleiben von häuslichen Pflichten, verschaffte ihr nicht nur indirekt die unbestrittene Herrschaft im kleinen Familienkosmos, sondern führte zu einem seligen Zustand, in dem niemand mehr irgendetwas als selbstverständlich hinnahm.
Kurzum: Die letzte Waschmaschine hatte die Superfrau vor gut zehn Tagen befüllt. Das weiß sie genau, weil just an jenem Tag ein gewaltiger Regenguss niederging und sie statt des geplanten Spaziergangs schnurstracks nach Hause marschierte. Tja, das war’s dann – wie gesagt – vor etwa zehn oder sogar mehr Tagen, und seither hat niemand mehr die Waschmaschine eingeschaltet.
Und was geschah dann? Eines Abends, gegen acht, als die Kinder sich wie üblich zum Schlafengehen fertig machten, ertönte zunächst ein verzweifelter Schrei aus dem Kinderzimmer, gefolgt von einem Crescendo ähnlicher Rufe, einem Stöhnen und Kreischen aus den anderen Zimmern und verängstigten Kehlen. Es war ein echter Dominoeffekt. Der Wendepunkt kam, als sie begriffen, dass…
“Ma-ma! Maa-maaa!”
“Bitte?”
“Ich habe keine saubere Unterwäsche mehr!”
“Das ist schrecklich. Ich weiß wirklich nicht… Ich bin völlig schockiert.”
“Wasch sie!”
“Wasch sie selbst!”
“Ich kann keine Wäsche waschen!”
“Dann lern es!”
“Ich kann jetzt nicht!”
“Ok.”
“Überhaupt nicht ok, ich brauche sie dringend!”
“Dann wasch sie dringend.”
“Ich habe dir doch gesagt, dass ich das nicht kann!”
“In Ordnung, ich wasche deine Unterwäsche, aber erst wenn du dein Zimmer aufgeräumt hast, geduscht hast, dir die Zähne geputzt hast, die Schultasche für morgen gepackt hast und im Bett liegst.”
“Aber das dauert zu lange und bis dahin ist die Unterwäsche nicht trocken!”
“Da hast du Recht.”
“Aber, Mama!”
“Aber, mein Kind!”
“Du bist gemein!”
“Einverstanden.”
Der Moment, in dem die Superfrau erkannte, dass sie durch die Kontrolle der Unterwäscheverteilung die hygienischen, erzieherischen und potenziell auch viele andere Prozesse in ihrer Familie steuern konnte, war einer der erleuchtendsten Augenblicke ihres Lebens:
“Ma-ma, ich habe keine Unterwäsche mehr!”
“Die bekommst du, wenn du die Multiplikationstabelle auswendig kannst.”
“Ma-ma, Unterwäsche!!!”
“Erst das Zimmer!”
Das Nicht-Waschen der schmutzigen Wäsche war eine geradezu revolutionäre Idee! Auf diese Weise gelang es der Superfrau, die meisten ihrer oft mehr als herausfordernden Alltagsprobleme zu lösen. Damit im Haushalt alles reibungslos funktionierte, musste man nur die Unterwäsche aus Schränken und Schubladen entfernen, ein Paar pro Person auswählen und zur richtigen Zeit mit ihrer Versteigerung beginnen. Zu Beginn ahnte die Superfrau nicht einmal die zahllosen Vorteile dieser sogenannten “Unterwäsche-Methode”, die bei korrekter Anwendung einen reibungslosen Ablauf aller Rädchen im großen Familiengetriebe gewährleistete. Ach, diese Mechanik!
Die Superfrau genießt sorglos ihre kurze Pause, während die Kinder ihre täglichen Aufgaben erledigen. Sie ist völlig ruhig und entspannt, wissend, dass ihre hochfunktionale Familie jetzt ordentlich, sauber, kultiviert und klug ist, vor allem aber ungewöhnlich bewusst der Risiken des Umherirrens. Am Abend, wenn sich beide Interessenten für saubere
Unterwäsche im Zustand “Ruhe!” befinden, blitzt im warmen Mutterblick ein Funke unendlicher Zufriedenheit und Stolz auf. Sie hat es geschafft, wahrhaftig geschafft!
Es ist erst 20 Uhr, und die Kinder haben schon zu Abend gegessen, sind bettfertig, haben ihre Hausaufgaben gemacht und liegen nun, sauber und duftend, ohne Diskussion und Streit, freiwillig im Bett. Schluss mit dem endlosen Wiederholen derselben lästigen Sätze und leerer Phrasen, weg mit Geschrei, Getöse, Gejammer und Drohungen… Und das alles nur wegen einer kleinen, diskreten und völlig harmlosen Lehre wie:
“wenn ihr – dann ich”. Genial, nicht wahr?
Während die Zeit unmerklich verstreicht, duftet die Stadt immer mehr nach Kastanien und feuchtem Laub. Die aktuelle Realität ist noch am Nachklingen, und andere
Die Hausarbeit stapelt sich, aber die muss jetzt warten. Schluss mit dem ewigen “Müssen” und “Sollen”, keine übertriebenen Absprachen mehr, keine ungeschriebenen Regeln. Die Welt wird nicht untergehen, wenn sie mal langsamer macht – dessen ist sie sich mittlerweile sicher. Sie schlendert am Flussufer entlang und beobachtet das wilde Gewässer. Mit lungenvoller unausgesprochener Sehnsucht nach tiefem Durchatmen nimmt sie den städtischen Trubel wahr, lauscht den Geräuschen, saugt die Düfte und Farben des milden Herbstes ein. Wenn sie des Spazierens müde wird, vertieft sie sich in ein Buch, während ihr Mann werkelt und die Kinder schmollen.
[Vorheriger Text bleibt gleich bis…]
Aber auf die schlechten Nachrichten aus der Schule musste sie diesmal nicht lange warten. Hier hilft kein Zetern, aber vielleicht ist positive Resignation die richtige Lösung! Der Moment, wenn man alles loslässt, damit es jemand anderer übernimmt! Lange genug ist sie mit dem Staffelstab in der Hand gelaufen, Zeit, ihn weiterzugeben.
Während die Zeit unmerklich verstreicht, duftet die Stadt immer mehr nach Kastanien und feuchtem Laub. Die aktuelle Realität ist noch am Nachklingen, und andere Realitäten schleichen sich langsam in ganz neue Gewänder… Vielleicht trinkt die Superfrau gerade deshalb ihre Freizeit “tot”, einen Kaffee nach dem anderen schlürfend und lange in die Sonne blinzelnd. Nach der Arbeit streift sie stundenlang ziellos durch verlassene und verstummte Parks, gibt sich den Zaubern der positiven Resignation hin.
Die Hausarbeit stapelt sich, aber die muss jetzt warten. Schluss mit dem ewigen “Müssen” und “Sollen”, keine übertriebenen Absprachen mehr, keine ungeschriebenen Regeln. Die Welt wird nicht untergehen, wenn sie mal langsamer macht – dessen ist sie sich mittlerweile sicher. Sie schlendert am Flussufer entlang und beobachtet das wilde Gewässer. Mit lungenvoller unausgesprochener Sehnsucht nach tiefem Durchatmen nimmt sie den städtischen Trubel wahr, lauscht den Geräuschen, saugt die Düfte und Farben des milden Herbstes ein. Wenn sie des Spazierens müde wird, vertieft sie sich in ein Buch, während ihr Mann werkelt und die Kinder schmollen.