von Petra Vujović
So sehr sich die Superfrau auch bemühte, die grausame Realität zu ignorieren – die Sache mit der Wirklichkeit war längst außer Kontrolle geraten, und nun musste sie mit dieser Bestie abrechnen! Um ihr endlich ihre Meinung ins Gesicht zu sagen, beschloss sie, sie auf einen Drink einzuladen. In die Schlacht, in die Schlacht!*
Die Realität, der breiten Öffentlichkeit eher als Star der Reality-Show “Leben” bekannt, versuchte ihre jahrelange Alkoholabhängigkeit gar nicht mehr zu verbergen und konnte die Einladung zum Gratisdrink kaum erwarten!
Die Superfrau kam als Erste, setzte sich an den Tisch und bestellte eine Flasche edlen Hauswein. Kurz darauf erschien auch die Realität. “Schon in ihrem Element”, dachte die Superfrau, sagte aber nichts, deutete nur auf den freien Platz und bot ihr Wasser an. Die Realität lehnte ab und griff sofort zur Flasche. Nach einem kräftigen Schluck begann sie mit ihrer psychischen Terrorattacke. Die Superfrau blieb sprachlos. Als die Realität schließlich mit einem kurzen, aber markerschütternden Crescendo ihre dramatische und wie üblich unangenehme Szene mit einer Kakophonie aus Beschimpfungen, Beleidigungen und Verleumdungen beendete, legte sich Grabesstille über das Lokal.
Die Superfrau spürte ihre zitternden Hände und ihr wild pochendes Herz. Wenn sie jetzt nichts unternahm, würde sie sich das nie verzeihen. Also schluckte sie ihre Angst hinunter und sagte mit ruhiger Stimme:
“Merkst du nicht, dass du den Menschen Angst machst? Beherrsch dich, du Gottlose!”
“Woaßt überhaupt, mit wem du redst, du erbärmlicher Wurm?”, zischte die Realität durch ihre Zähne.
“Mit einer wahnsinnigen Tyrannin, einer grausamen Kreatur, genau der! Wir haben alle genug von deinem Wahnsinn, verstehst du das?!”, rief die Superfrau und sah der Realität direkt in die Augen.
“I werd di zerdrucken, du Nichts!”, donnerte diese aus vollem Hals.
“Uns allen ist deine Selbstüberschätzung und dein krankhafter Narzissmus schmerzlich bewusst. Aber sieh her – ich fürchte dich nicht mehr, ich bemitleide dich nur noch”, erwiderte sie ohne mit der Wimper zu zucken.
“Behalt dei Mitleid für di selbst, du elendigs Gfrast! Pass nur auf!”, drohte die Realität und hob mahnend den Zeigefinger.
“Alles ist eine Frage der Wahrnehmung”, entgegnete die Superfrau nun erstaunlich gelassen und fügte hinzu: “Außerdem mag die Angst vielleicht ein guter Verbündeter sein, aber sie ist ein schlechter Freund. An deiner Stelle würde ich ihr nicht blind vertrauen…”
“Des wirst no bereuen, du blöde Gans!”
“Es ist vorbei. Du bist unsere verbrauchte Realität; abgenutzt, ramponiert und viel zu zäh. Schon morgen könnte dich jemand Besseres, Klügeres und Weiseres ersetzen!”
“Aus is erst, wenn I sag, dass aus is!”, fauchte die Realität.
“Du bist ein Paradebeispiel für misslungenes Make-up, nichts als eine hässliche Faschingsmaske, und die Masken sind gefallen”, konterte die Superfrau.
“Na geh, do irrst di g’waltig!”, ließ die Realität nicht locker, unsere mutige Heldin einzuschüchtern.
“Ich weiß, dass ich dich immer weniger ertrage, und das reicht mir völlig… Prost! Bestell ruhig noch einen, geht auf mich. Du kennst doch den Spruch: In vino veritas, aber für dich ist jeder Tropfen Wahrheit reine Medizin… Auf Wiedersehen!”
Dies war das letzte Mal, dass sich die Superfrau und die Realität persönlich begegneten.
*Anm. d. Übers.: Berühmter kroatischer Schlachtruf, hier ironisch verwendet